18. April 2021 - 30. Mai 2021

Gosia Machon

BLINDER FLECK

Gosia Machon, eine in Polen geborene und mittlerweile seit fast 20 Jahren in Hamburg lebende Malerin, die sich in dieser Zeit sowohl deutschlandweit als auch international als Künstlerin einen Namen hat machen können, zeigte neue Arbeiten auf Papier, Aquarelle, Gouachen sowie einige Ölgemälde.

Bereits in ihren Anfangsjahren als Künstlerin wurde Gosia Machon zu namhaften Gruppenausstellungen u.a. ins Itabashi Museum nach Tokio, in den Salon de Livre nach Paris, ins MAK nach Wien oder national ins Museum für Druckkunst nach Leipzig eingeladen, bis sie 2008 in Hamburg mit ihrer ersten Einzelausstellung aufwarten konnte.

Es folgten bis heute Einzel- und Gruppenshows mit hoher Reputation. Ihr Ausstellungsweg führte sie zum Goethe Institut nach Hamburg, europaweit über Bologna nach Istanbul, Antwerpen, Lodz und Copenhagen bis nach Shanghai, Kyoto oder Tel Aviv, um hier nur einige ihrer wichtigsten Stationen zu nennen. 2019 zeigte die renommierte Galerie Catherine Putman in Paris ihre Werke, Ende letzten Jahres der Kunstverein in Ellwangen.

Dass die sogenannte „Polnische Schule der Plakatkunst“ – die polska skola plakatu – in den 50er und 60er Jahren eine künstlerische Gruppe die Weltruhm erlangte, auf ihre ersten Bilder abfärbte und Gosia Machon, selbst aus Oberschlesien stammend, sich vermutlich auch von dieser Tradition hat beeinflussen lassen, ist in der Frühphase ihres Werdegangs unübersehbar. So gewann Gosia Machon noch 2007 einen Preis in einem Plakatwettbewerb, bevor sie sich dann überwiegend der Malerei widmete.

Den berühmten Plakaten aus Polen, diese „auf Gedankenverbindungen beruhenden Werke der polnischen Schule“ werden z.B. von Wikipedia „extrem knappe eigenartige Ausdrucksmittel“ bescheinigt, die Staatlichen Museen in Berlin attestieren ihnen aber auch „Frische und Neuartigkeit durch den Einsatz von Humor und Farbigkeit“. Beides lässt sich beinahe 1 zu 1 auf das Œuvre von Gosia Machon übertragen.

Gosia Machons Bilder wirken dramaturgisch, szenisch und fast filmisch. Man wird sowohl an die sehr transzendenten Filme des Russen Andrej Tarkowski erinnert, an Frantisek Vlacils bahnbrechende Verfilmungen „Marketa Lazarova“von 1967 oder „Die weisse Taube“ als auch an „Das Turiner Pferd“ von Bela Tarr von 2011. Sie verhandelt ihre Themen ähnlich ruhig wie jüngst Alfonso Cuaron in seinem Film „Roma“, zeitweise fühlt man sich hineinversetzt in Traumsequenzen aus einem David Lynch-Film. Man fühlt sich aber auch an viktorianische Phantastik aus der Literatur erinnert, an die Novellen von Wilkie Collins oder Theodor Storm. Gosia Machons Bilder fallen ganz bewusst aus der Zeit.

Farblich und inhaltlich entdeckt man Parallelen zur Volkskultur, zum südamerikanischen magischen Realismus oder zur aktuellen afro-amerikanischen Malerei der Gegenwart, denkt man nur an die Nähe zu den malerischen Arbeiten von Kara Walker. Dann wieder meint man Bezüge zu entdecken zur italienischen Arte Povera und zur manchmal ganz bewusst ungelenk wirkenden Malerei der Transavantgarde eines Francesco Clemente oder eines Sandro Chia, zur arte cifra, manchmal auch zu Käthe Kollwitz oder den ersten Bildern von A.R. Penck noch vor seiner Höhlenmalerei-Phase. Zur primitiven Malerei, zum Fauvismus und zur Figuration Libre Frankreichs.

So karg und auf dem ersten Blick unscheinbar Gosia Machons Bilder zunächst daherzukommen scheinen, so stabil und gefestigt sind sie in der modernen Kultur und Malerei verankert und interpretieren diese unterschiedlichen kunstgeschichtlichen Strömungen und Tendenzen gekonnt neu.

Wenn Max Beckmann Kunst als „nichts anderes als vollendete Natur“ postuliert, malt Gosia Machon ganz genauso. Indem sie ihre Bilder formal so sehr reduziert macht sie Identität hinter bzw. statt Realität sichtbar, verdichtet also die natürliche uns umgebende Realität ganz im Sinne Beckmanns. Gosia Machon macht Natur übernatürlich und hebt sie quasi aus sich selbst heraus.

Das ist stilistisches Downsizing at its best. Aller vermeintlichen Sperrigkeit zum Trotz ist Gosia Machons Malerei immer auch ein Herunterbrechen von Farbe und Form um eine Steigerung der Wirkung willen. Und sie schafft es gerade damit, ihre Themen in eine famose reduzierte Bildsprache zu übersetzen.

 

 

Ein „Blinder Fleck“ öffnet poetische Zwischenräume

 

Ausstellungsansichten