Vor ihrer nächsten Ausstellung in Paris eröffnete Henriette von Münchhausen das Galerieprogramm für das Jahr 2022 der Galerie Mellies.

Im Anschluss an ihr Kunststudium an der Königlichen Akademie für Bildende Künste in Den Haag gründet die in München geborenen Henriette von Münchhausen 2018 neben ersten Erfolgen als bildende Künstlerin eine Online-Galerie, die sie als Kuratorin nutzt, um junge Kunst digital zu präsentieren.

Parallel dazu organisierte sie zahlreiche Kunst-Workshops und Pop-Up-Ausstellungen, die sie bis nach Montreal führten. Nach diesen vielgestaltigen. umtriebigen Anfangsjahren stellte Henriette von Münchhausen in diversen Galerien für Moderne Kunst in Den Haag aus. Hinzu kamen Performances u.a. bei der Kunstmesse in Amsterdam sowie eine Gestaltung des Kunstfensters des Goethe-Instituts in Rotterdam.

In den letzten Jahren ist der Fokus ihrer Ausstellungstätigkeit immer internationaler geworden. So zeigte Henriette von Münchhausen ihre Werke mehrfach in London, im Museum für zeitgenössische Kunst in Rochechouart (Frankreich) oder realisierte Ende 2021 auf Einladung des Kulturdezernats Köln ein Live-Painting-Projekt für die Initiative „Unser Ebertplatz“. Ihr künstlerischer Output ist immens und kann man als ebenso vielschichtig wie undergroundig beschreiben: Geheimnisvolle Installationen, farbenfrohe Aquarelle, spielerische Zeichnungen und poetische Text-Miniaturen wechseln sich ab mit großformatiger Malerei und klassischen Ausstellungen.

Henriette von Münchhausen sucht die Veränderung und bespielt den Wechsel. Nichts ist unumstößlich. Nichts ist fehl am Platz. Ihre Bilder weisen dabei im Gegensatz zu ihrer oft kraftstrotzenden Farbigkeit ganz zarte Wesen auf. Wie Matisse in seinem berühmten Gemälde „La Danse“ von 1909 arrangiert sie dabei ihre feingliedrigen Figuren fast schon musikalisch aneinander wie in einem Reigen. Als tanzten sie, schwirren und schwärmen ihre Figuren oft kreisrund in ihren Bildern umher. Wie Glühwürmchen in einem Schleiertanz sind sie aber auch immer als feine moderne Reminiszenzen an vergangene Kunstepochen lesbar.

Man denkt bei ihren Figuren schnell an die Figuren Paul Wunderlichs, an die schlafwandlerischen Transformationen einer Eva Hesse oder Stefanie Heinze. Ihre Vorliebe für Rot und Gelb, generell für Primärfarben, erinnert an die schwungvolle Malerei Walter Stöhrers. Ihre feingliedrigen, langbeinigen und verschlungenen Körper findet man z.B. auch in den Collagen von Wangechi Mutu wieder. Oder in den berückenden Aquarellen von Louise Bourgeois.

Bei dem Bild „Sorry not Sorry, (Monet)“ von 2021 oder ihrem „Panic Bunny“ von 2020 muss man unweigerlich an die Köpfe eines Walter Dahn denken oder an die von Dana Schutz, an Philip Guston, Milan Kunc oder Nicole Eisenman. Ein Foto auf ihrer Homepage, das sie dort unter dem Begriff „Kokolores“ verortet, erinnert an die übermalten Schulwandbilder von Julian Schnabel. Nur übermalt sie hier nichts, ihr dient als künstlerischer Eingriff lediglich das Drauflegen einer Tonkringel – und voilà, schon ist sie da: die künstlerische Geste, die Transformation in einen völlig anderen künstlerischen Subtext.

Aus ihrer Malerei steigen unweigerlich Bilder anderer Künstlerinnen und Künstler hervor. Man meint in ähnlicher Form Kritzeleien von Mika Rottenburg wiederzuerkennen. Das Groteske und die Fantastik erinnert an Charles Avery, der bunte überbordende Mix an Hervé Télémaque, die wilde Farbigkeit an Cecily Brown. Alles in allem Zitate, ohne zu zitieren.

Henriette von Münchhausens Suche nach einer Metaebene scheint eine ihrer Leitfragen zu sein. Indem sie ihre Bilder sehr dialogisch aufbaut – dissonant und hintergründig zugleich – gestaltet und baut sie einen Sog auf, der zwar immer im Kontext Kunst verortet und angelegt bleibt, sich jedoch trotz all der kunstgeschichtlichen Flash-Backs in ihrer außergewöhnlichen Uneindeutigkeit kaum packen lässt. Ihre Arbeiten bieten eine enorme Weite an Interpretationsmöglichkeiten und verborgenen kunsthistorischen Verweisen.

Und ob dies nun in ihrer multi-medialen Präsenz zu beobachten ist oder in ihrer Malerei, in der sie die Leere in ihren Bildern immer wieder inszeniert: Henriette von Münchhausen schafft bildliche Freiräume, setzt bewusst bruchstückhaft Leerstellen, akzentuiert und nuanciert Kunstpausen und lädt damit gleichzeitig ein, diese selbst auszufüllen.

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