03. Dezember 2023 - 28. Januar 2024

Kirsten Brünjes

RUHELOS

Mit der in Bremerhaven geborenen Bildhauerin Kirsten Brünjes zeigt die Galerie Mellies zum ersten Mal eine reine Ausstellung ausschließlich mit Skulpturen.

Diese Premiere umfasst im Wesentlichen kleine Formate und Figuren, die Kirsten Brünjes mit viel Akribie und Liebe zum Detail herstellt und die in ihrer Skurilität zu begeistern wissen.

Kirsten Brünjes hat nach einem ersten Studium der Kulturwissenschaft und Kunstgeschichte an der Hochschule der Künste in Bremen Bildhauerei studiert.

Bereits während ihres Kunststudiums konnte sie ihre Arbeiten in einem musealen Rahmen ausstellen, u.a.1995 im Leopold Hoesch Museum Düren, 1996 im Württembergischen Landesmuseum Stuttgart und 1997 auf der Triennale für Kleinplastik in Zagreb, Kroatien.
1999 absolvierte sie ihr Diplom als Meisterschülerin von Fritz Vehring.
Direkt im Anschluss erhielt sie den Förderpreis Keramik aus Oldenburg und bekam mehrere Jahre lang die Künstlerförderung des Landes Bremen.
Es folgten zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen. Im Ausland zeigte sie ihre Arbeiten u.a. in Lettland, in Luxemburg, der Schweiz, in Frankreich, Österreich, Korea und in den Niederlanden.
Plastiken von Kirsten Brünjes befinden sich in öffentlichen Sammlungen u.a. im Ceramic Art Museum in Fuping in China, im Keramikmuseum Westerwald oder im Musée Ariana in Genf.

Die Sommerausgabe des Kunstforums International widmete sich in diesem Jahr mit dem Titel „Cuteness – Das Niedliche als ästhetische Kategorie“ – ähnlich wie 2020 schon das NRW-Forum Düsseldorf mit der Ausstellung „Cute“ – gerade erst sehr aktuell dieser neuen Bewegung, dieser Faszination und dem Bedeutungswandel am Niedlichen in der Gegenwartskunst.
Kirsten Brünjes’ Arbeiten scheinen auf den ersten Blick darauf Bezug zu nehmen. Doch beim genauen Hinschauen der einzelnen Figuren erkennt man, dass es der Bildhauerin nicht um eine Niedlichkeit geht, sondern vielmehr um den Ausdruck von Emotionen, um Verletzlichkeit und Empfindsamkeit.

Man findet bei Kirsten Brünjes’ Skulpturen Bezüge zum Barock, z.B. zu den Mops-Fayencen von Johann Joachim Händler oder zu den berühmten geschrumpften Miniaturhunden unter Glasglocken des 19. Jahrhunderts. Ihre Sockel-Äffchen, ebenso freundlich dreinblickend wie die Immendorf-Affen, erinnern an die berühmte kostümierte barocke Meissner Affenkapelle.
Bei den Wandfiguren von Kirsten Brünjes stellen sich unweigerlich Bezüge ein zu den ikonographischen Putten aus Holz, diesen speckig-schinkigen Barockengeln in Kindergestalt, die ebenso schweinchenrosa bemalt und pausbäckig, früher spirituell aufgeladen, tausendfach an den Wänden deutscher Wohnstuben hingen.

Wesensverwandte antike Puppen- und Figurensammlungen werden häufig ganz ähnlich präsentiert, wie Kirsten Brünjes es tut. An der Wand.
Man denke z.B. an die „Black Dolls“ von Deborah Neff oder an die asiatischen Spielzeug-Figuren von Selim Varol. In der modernen Kunst fallen einem Wandarbeiten von Annette Messager, Cecile Perra oder Kiki Smith ein.
Kirsten Brünjes’ freistehende Tiere erinnern an die Tierfiguren aus Styropor von Lin Mae Saeed oder an Giacomettis Miniaturen.

Wie die frühen Figuren von Wladislaw Starewicz oder Jan Švankmajer werden die Skulpturen von Kirsten Brünjes in eine eigene Traumwelt transformiert, erwachsen verkleidet und menschlich gewandet. Und auf einmal erleben wir bei diesen sehr wertig aussehenden Kleinstlebewesen eine Art Metamorphose, einen Schmetterlingseffekt, der in einem Impuls von Wand zu Wand übergeht.
Was zuerst an Figuren denken lässt wie aus Wes Andersons „fantastischen Mr. Fox“, manchmal auch an das Putzige in den „Stuart Little“-Filmen erinnert, changiert vom Disneyhaften ins Gruselige und entwickelt ein Eigenleben, das stehen bleibt zwischen einer zwergenhaften kindlichen Ästhetik und einer gespenstischen Lesart.

Etwas bleibt nicht greifbar. Diese Kleinplastiken sind auf dem ersten Blick eben nicht sofort zu erfassen. Sie sind nicht nur niedlich, sondern chimärenhafter! In dieses kleine Glück, in diese scheinbar heile Welt hat sich etwas anderes gemogelt und möchte in Augenschein genommen werden.

Kirsten Brünjes überführt ihre Figuren-Anordnungen sehr variantenreich in eine Welt, die eher an gemorphte Fabelwesen erinnern, die wir aus der Taxidermie und Tierpräparation her kennen. An ausgestopfte Wolpertinger.
Ihre Figuren weisen dann eine Nähe zu den Figuren Polly Morgans auf oder zu denen von Iris Schieferstein, zu den Figuren von Kate Clark, den großen kostümierten Figuren des Afro-Amerikaners Nick Cave, des Braunschweigers Michael Nitsche oder zu den Tier-Metamorphosen von Thomas Grünfeld.

Wer sich zutraut das Gutmütige, das Verschrobene und Wachspuppige zu durchschauen, wer einen Blick hinter das Verhuschte, das Drollige und Murmelig-Listige werfen kann, der sollte sich eingeladen fühlen die Ausstellung von Kirsten Brünjes’ kleiner und vielschichtiger Skulpturenwelt anzusehen.

Ausstellungsansichten